Ja mach nur einen (Notfall-)Plan … Nutzen und Grenzen von Notfallplänen

Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.
(Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens, Bertholt Brecht )

Im Rahmen des Business Continuity Management werden Notfallkonzepte und -pläne erstellt, um auf das Unwahrscheinliche vorbereitet zu sein. Der Notfall ist jedoch leider ein tückischer Zeitgenosse. Sind wir gut vorbereitet, lässt er sich nicht blicken und wir stehen als Zeit- und Ressourcenverschwender für unnütze Notfallpläne im schlechten Licht. Tritt der Notfall ein, ist es purer Zufall, dass der vorbereitete Notfallplan genau die passende Lösung für genau dieses Ereignis abbildet. Zeitpunkt, Zeitdauer und Ort des Notfalls, aktuelle Marktsituation, laufende Kunden- und IT-Projekte sind nur einige der Variablen, die einen Einfluss auf die angemessene Reaktion auf Notfälle haben. Wie wir auch immer planen und damit versuchen, Situationen vorauszusehen, die Realität weiß uns immer wieder ein Schnippchen zu schlagen und hat neue Überraschungen, „schwarze Schwäne“, für uns auf Lager.

Eine radikale Konsequenz aus diesem Fehlen der funktionierenden BCM-Glaskugel könnte nun darin bestehen, ganz auf das Erstellen von Notfallplänen zu verzichten und auf das erfolgreiche Improvisieren in Notfall- und Krisensituationen zu vertrauen. Viele Unternehmen, soweit nicht regulatorisch zu Ihrem Glück gezwungen, wählen tatsächlich diese Variante und vertrauen auf eine glückliche Hand in schwierigen Zeiten. Im Gegensatz zu dieser fatalistischen Einstellung ist bei diesen Unternehmen gleichzeitig in vielen anderen Unternehmensbereichen das Erstellen von Plänen über jeden Zweifel erhaben, auch wenn dort die Glaskugel auch nicht besser funktioniert. Absatzzahlen, Projekte, Kosten, Mitarbeiterkapazitäten werden munter geplant und geben eine Richtung und Messgröße vor, so dass Plan-Abweichungen schnell erkannt und korrigiert werden können. Warum dann auch nicht für Notfälle?Matthias Hämmerle zum Thema Notfallpläne, Zitat Berthold Brecht: Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch nen zweiten Plan, gehn tun sie beide nicht.

Notfallpläne stellen keinen Automatismus dar, der bei Eintritt eines Notfalls nach der Aktivierung alles wieder ans Laufen bringt. Die Ausführung von Notfallplänen muss an die jeweilige Situation angepasst erfolgen und gesteuert werden. Erfolgt dies nicht, kann das Festhalten an Notfallplänen den Schaden sogar noch vergrößern statt zu verkleinern. Ist zum Beispiel nur ein Gebäudeteil von einem Notfall betroffen, sollten die im Notfallplan vorgesehen Worst-Case-Maßnahmen zur Evakuierung und Relokation nicht für das gesamte Gebäude aktiviert werden, sondern nur für den betroffenen Gebäudeteil. Das Notfallmanagement muss daher immer durch ein Krisenmanagement flankiert werden, das die Lage analysiert, beurteilt und angemessene Entscheidungen auf Basis der Notfallplanung trifft. Eine Analogie findet sich wie so oft in der Luftfahrt. Bei der Entwicklung von Flugzeugen machen sich die Ingenieure bereits intensiv Gedanken über mögliche Ausfälle und Notfallverfahren. Mit der Dokumentation eines Flugzeugs lassen sich sicherlich größere Räume befüllen. Zur Mitnahme im Cockpit als Nachschlagewerk für Notfälle sind diese Dokumentationen jedoch denkbar ungeeignet. Piloten haben daher in Form von Checklisten dokumentierte Verfahren für Ereignisse wie Triebwerksausfälle, Fahrwerkstörungen oder Brände an Bord. Piloten analysieren die Lage und wählen die der Situation angepasste Notfallverfahren. Im Simulator haben sie dies zuvor regelmäßig durchgespielt und verinnerlicht. Übertragen auf das BCM bedeutet dies, Verfahren für Standard-Notfallsituationen vorzubereiten, die sicherstellen, dass Maßnahmen durch zugeordnete Verantwortliche in der richtigen Reihenfolge abgearbeitet werden und keine wesentlichen Aktivitäten und Entscheidungen vergessen werden. Notfallpläne sollten daher keine umfangreiche Notfall-Handbücher sondern checklistenbasierte Verfahren sein, die modular ereignisbasiert durch eine Notfall- und Krisenorganisation ausgewählt und aktiviert werden können. Dabei sollten immer Alternativen für den Fall berücksichtigt werden, dass Plan A nicht zum Erfolg führt. Wie sieht dann Plan B oder gar Plan C aus?

Grundlage der Notfallpläne sind Notfallkonzepte und -strategien. Sie legen dar, welche Ziele mit den Notfallplänen verfolgt werden sollen. Eine schnelle Relokation des kritischen Geschäftsprozesses an einen Standort oder das temporäre Aussetzen, bis der kritische Wiederanlauftermin erreicht ist? Notfallkonzepte basieren auf den Ergebnissen der Business Impact Analysen (BIA) und bilden das Scharnier zwischen den identifizierten Anforderungen der BIA und den Notfallverfahren der Notfallplanung.

Dieser Regelkreis wird geschlossen durch die laufende Validierung der Notfallpläne in Form von Tests, Übungen und Simulationen. Neben dem Funktionieren der technischen und organisatorischen Verfahren sollte hierbei ein großes Augenmerk auf das Zusammenspiel zwischen Notfall- und Krisenmanagement gelegt werden. Notfallverfahren können ihre Wirkung nur entfalten, wenn sie zielgerichtet ausgelöst, gesteuert und auf ihren Erfolg überwacht werden.

Denn was ist schlimmer als ein nicht funktionierender Plan: völlige Planlosigkeit.

 

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